Rauchende Finger und qualmende Colts

Meldung vom 07.05.2012:

BfR empfiehlt, das Rauchen von E-Zigaretten in Nichtraucherzonen zu untersagen
von hier

Schon die Überschrift könnte uns beruhigen: Hier geht es also um das Rauchen von E-Zigaretten. Da mit Rauchen jedoch, wie allseits bekannt, das Inhalieren von verbrannten Pflanzenteilen gemeint ist, kann es sich im Folgenden nicht um die E-Zigarette handeln, wie wir sie kennen und mittlerweile fast überall kaufen können.

Zitat:
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat einige typische Inhaltsstoffe von E-Zigaretten-Liquids wie Nikotin, Vernebelungsmittel, Zusatz- und Aromastoffe bewertet: Die Dämpfe dieser Substanzen können die Gesundheit von E-Rauchern beeinträchtigen.

Natürlich können diese Inhaltsstoffe die Gesundheit beeinträchtigen. Genau wie ungefähr alle Stoffe, die es gibt und die man in irgendeiner Form zu sich nimmt. Sogar Wasser:
"Die Einnahme von 10 Litern Wasser auf einmal (destilliert oder nicht) kann für einen Erwachsenen tödlich sein
", Quelle: Wikipedia
oder Kochsalz:
"Die letale Dosis, die zu einer Hypernatriämie führt, wird beim Erwachsenen mit 0,5 bis 5 Gramm je Kilogramm Körpergewicht angegeben, bei Kleinstkindern mit 12 mg/kg"
, Quelle: Wikipedia.
Diese Formulierung hat also einen wissenschaftlichen Aussagewert, der gegen Null geht.

Zitat:
Angesichts eines großen und wachsenden Produktspektrums an Liquids für E-Zigaretten ist nicht im Detail bekannt, was ein E-Raucher im konkreten Fall tatsächlich inhaliert bzw. ausatmet und mit welchen Schadstoffen die Atemluft belastet wird.

Das ist so nicht richtig:
Faktensammlung: Inhaltsstoffe
und
Faktensammlung: Kaum Nikotinspuren

Zitat:
Durch den Einsatz von nachfüllbaren Kartuschen haben die Konsumenten nahezu unbegrenzte Möglichkeiten zum Experimentieren und Zusammenstellen eigener Liquids, wobei auch Konzentrate und bedenkliche Substanzen verwendet werden können.

Es gibt einen vorgesehenen Gebrauch der Geräte und den Hinweis, für welche Liquids sie geeignet und bestimmt sind. Die Warnung vor missbräuchlicher Änderung dieses Gebrauchs lässt nicht nur außer Acht, dass die empfindlichen Geräte dadurch sehr schnell unbrauchbar werden (was ein teurer Spaß ist), sondern erwähnt eleganterweise auch nicht, dass die Möglichkeiten, Geräte anders als bestimmungsgemäß zu verwenden und „bedenkliche Ergebnisse“ zu erzielen, wohl grenzenlos sind. Man denke an große Küchenmesser, Pillendöschen, Plastikbeutel, Baseballschläger und so weiter. Welche Aussagekraft soll dieser Satz also haben?

Zitat:
Eine Bewertung der tatsächlichen Risiken für Unbeteiligte ist daher nicht möglich. Zum Schutz von Verbrauchern sollten E-Zigaretten deshalb in Nichtraucherbereichen herkömmlichen Tabakprodukten gleichgestellt sein.

Wie bitte? Weil eine Bewertung nicht möglich ist, wird eine willkürliche Entscheidung zuungunsten des bewerteten Produktes getroffen?
Das ist verkehrte Welt: Wenn keine eindeutigen Belege für eine Gefährlichkeit sprechen, die der des Rauchens gleichkommt, darf die E-Zigarette doch gerade deswegen eben nicht den Tabakprodukten gleichgestellt werden!

Zitat:
„Das Rauchen von E-Zigaretten sollte nur in Raucherzonen erlaubt sein“, sagt BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. „So können E-Zigaretten Passivraucher nicht gesundheitlich beeinträchtigen.“

Wer E-Zigaretten raucht, benutzt ganz sicher das Gerät, in dem Tabak verglimmt wird:
Faktensammlung: Verwechslung zweier E-Zigarettengeräte

Und in diesem Fall sind wir sehr einverstanden mit den Raucherzonen für dieses spezielle Rauchgerät.
Uns würde nur interessieren, wo der Benutzer diese Vorrichtung erstanden hat, denn soweit unsere Recherchen reichen, ist es im Handel nicht erhältlich.

Die andere Möglichkeit, nämlich unsere herkömmliche E-Zigarette anzuzünden, um echten Rauch zu erzeugen, ist kein bestimmungsgemäßer Gebrauch und auch nicht üblich in Konsumentenkreisen. E-Zigaretten werden gedampft, nicht geraucht.

Und da die E-Dampfer glücklich darüber sind, keinen Rauch mehr inhalieren zu müssen, könnte es sogar als Körperverletzung angesehen werden, wenn sie gezwungen werden, sich in Raucherzonen aufzuhalten, zumal ja angeblich auch das Passivrauchen so unglaublich gefährlich ist.

Zitat:
Das BfR geht davon aus, dass von der E-Zigarette und ihren Liquids gesundheitliche Risiken ausgehen.

Fein, dann hätten wir Steuerzahler als Ihre Arbeitgeber gern einen wissenschaftlich einwandfreien und belastbaren Beleg für diesen mehr als vagen "Ausgangspunkt".

Zitat:
Ursache dafür können neben Nikotin auch das Verneblungsmittel Propylenglycol, Chemikalienzusätze wie pharmakologische Wirkstoffe sowie verschiedene Duft- und Aromastoffe (z.B. Menthol, Linalool) und Verunreinigungen sein.

Das hört sich freilich sehr gefährlich an. Allerdings haben mittlerweile die allermeisten Händler, nicht zuletzt als Folge der Forderungen aus Konsumentenkreisen, eine saubere Deklaration der Inhaltsstoffe auf ihren Etiketten angebracht.
Einzelheiten zu den tatsächlich verwendeten Inhaltsstoffen sind dem Link zu entnehmen, der auch oben schon angegeben ist:
Faktensammlung: Inhaltsstoffe

Zitat:
Es gibt Hinweise aus der Fachliteratur, dass einige Fabrikate von E-Zigaretten auch krebserzeugende Aldehyde freisetzen.

Das BfR beruft sich in seinen Äußerungen auf diese Quelle:
Stellungnahme Nr. 016/2012 des BfR vom 24. Februar 2012

Für diese Behauptung wurde das folgende Papier* für vage Aussagen zu Schadstoffen und Gefährlichkeit des Dampfs herangezogen:
5. Uchiyama S, Inaba Y, Kunugita N. Determination of acrolein and other carbonyls in cigarette smoke using coupled silica cartridges impregnated with hydroquinone and 2,4-dinitrophenylhydrazine. J Chromatogr A 2010 Jun 25;1217(26):4383-4388.

"air was drawn through at a flow rate of 500 mL/min"
Luft wurde mit einer Flussrate von 500 ml/min durchgezogen.
Das bedeutet, dass 14 Züge in einer Minute getätigt wurden – 4 Sekunden Zeit für Zug, Inhalieren und Ausatmen - unmöglich. Das heißt, man müsste eine Minute pausenlos direkt auf Lunge inhalieren, um diese Rate zu erreichen.
Das ist völlig unrealistisch und kaum zu schaffen.

Das Gerät wurde absolut außerhalb der Spezifikation betrieben. Zwangsläufig wurde dadurch der Verdampfer viel heißer, als es ein menschlicher Anwender je schaffen könnte.

Direkter Vergleich in µg/Zigarette

........................Zigarette ..... e-Zigarette
Formaldehyd ........ 24,00 ................. 2,2
Acetaldehyd .... 5.200,00 ................. 2,76
Aceton ........... 1.400,00 ................. 0,76
Acrolein ............. 360,00 ................. 1,76

Die e-Zigarette wurde völlig überhitzt bei einem Zugvolumen von 500ml/Minute. Wäre sie innerhalb der Spezifikationen betrieben worden, dann hätte sich vermutlich keiner der Schadstoffe oberhalb der Nachweisgrenze befunden.

Zur Relativität der Größenordnungen: 1 µg ist ein Mikrogramm (1/1.000.000 Gramm)

Zitat:
Die verschiedenen Substanzen werden in Form von Emissionen über die Dämpfe der E-Zigaretten und den Atem der E-Raucher in die Umgebungsluft abgegeben. Gefahren für Dritte können nach jetzigem Kenntnisstand deswegen nicht ausgeschlossen werden.

Oh doch, das können sie:
Faktensammlung: Kaum Nikotinspuren

Zitat:
E-Raucher können auch eigene Liquids mischen und dabei auf Konzentrate und vielfältige Zusätze und Substanzen zurückgreifen. In diesen Fällen ist unklar, was genau ein- und ausgeatmet wird. Unbeteiligte können im konkreten Fall nicht einschätzen, ob von den freigesetzten Emissionen gesundheitliche Gefahren ausgehen.

Hier der dritte Fall der Wiederholung eines unbrauchbaren Argumentes:
Weder Hersteller noch Händler noch Konsumenten und schon gar nicht der Gesetzgeber oder eine staatliche Behörde zeichnen für die Möglichkeit einer missbräuchlichen Benutzung eines Gerätes verantwortlich, siehe oben.

Zitat:
Das BfR empfiehlt daher, das Rauchen von allen E-Zigaretten in Nichtraucherzonen zu untersagen und diese Produkte im Sinne des Nichtraucherschutzes wie herkömmliche Zigaretten zu behandeln.

Dasselbe Argument wie schon gehabt: Damit sind wir sehr einverstanden, da es sich hier wiederum nur um die Tabak verglimmende, Formaldehyd produzierende E-Zigarette handeln kann, und diese sollte wirklich begründetermaßen der Tabakzigarette gleichgestellt werden.
Den Link zur Seite, auf der die Verwechslung mit unserer herkömmlichen E-Zigarette, die gedampft und nicht geraucht wird und die absolut keine verbrannten Partikel in die Umwelt ausstößt, zum dritten Male hier aufzuführen, ersparen wir den geneigten Lesern.

Zitat:
Über das BfR
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftliche Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV).

Ahja, wissenschaftlich. Seltsam, dass den grundlegenden Anforderungen an wissenschaftlicher Belegbarkeit hier nicht einmal im Ansatz nachgekommen wird.

Zitat:
Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.
17/2012, ende bfr-p

Ja bitte - wir hören? Wir sind erstaunt, dass diese eigenen Forschungen hier nicht angeführt werden, würden jedoch auch, obwohl es dem üblichen Vorgehen entspricht, eine Belegbarkeit zusammen mit der Begründung vorzulegen, nachträgliche Forschungsergebnisse interessiert zur Kenntnis nehmen.

Fazit
Ein Text, dessen Aussagekraft dünner als E-Dampf ist. Der Schadstoffgehalt im Nebenstromrauch des Textes ist allerdings eklatant erhöht. Ein Desinformationspapier, das die Ausführungen zur Antipropaganda leider einmal mehr bestätigt:
Faktensammlung: Zur Antipropaganda

Es darf spekuliert werden, wer diese Empfehlung in Auftrag gegeben hat.** Und warum nun nach den schallenden Ohrfeigen durch die Rechtssprechung für die Versuche, das E-Dampfen erst in die Apotheke und auf diese Weise (erforderliche Arzneimittelprüfung, die sich über Jahre zieht) vom Markt zu drängen, nun in aller Eile ein Schieben Richtung Gleichstellung mit Tabakprodukten anhebt.

* Wir sagen ein herzliches Danke Schön an Frau K. C. für die Erlaubnis, ihre Auswertung des Papiers hier übernehmen zu dürfen.

** Zur Glaubwürdigkeit des BfR

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